Vom Meer zum Wald mit Claude Lévi-Strauss

Sie verlangen mir schon einiges ab, die französischen Philosophen und Ethnologen. Dann entdecke ich jedoch plötzlich Gedanken, die mir vertraut sind, weil ich ähnliches bereits erlebt und gefühlt, aber noch nie in so wunderbare Worte fassen konnte, wie Claude Lévi-Strauss im Jahr 1955 in seinem Buch „Traurige Tropen“. Plötzlich ist eine Verbindung da, und ich finde den Anschluss: neue Denk-Horizonte öffnen sich. Und verbinden sich bei mir sofort mit Bildern…Meer „Überdies sind uns die Reize des Meeres heute versagt. Wie ein alterndes Tier, dessen Panzer hart wird und seinen Körper mit einer undurchdringlichen Kruste überzieht, die der Haut das Atmen verwehrt und damit den Prozess der Alterung beschleunigt, so lassen die meisten Länder Europas zu, dass ihre Küsten mit Villen, Hotels und Kasinos zugebaut werden. […] Die Strände, an denen uns das Meer die Früchte einer jahr-tausendealten Bewegung spendete, jene bewunderungswürdige Galerie, in der die Natur immer zur Avantgarde gehörte, dienen heute, unter den über sie hinwegtrampelnden Massen, nur noch zur Schaustellung von Schund.“
(Lévi-Strauss, Traurige Tropen, 334-335)
 
Blätterwald

„Heute ist es der Wald, der mich anzieht. […] Eine Welt aus Gräsern, Blumen, Pilzen und Insekten führt darin ein unabhängiges Leben, in das aufgenommen zu werden von unserer Geduld und unserer Bescheidenheit abhängt. Ein paar Meter Wald genügen, um die Außenwelt aufzuheben; ein Universum weicht dem anderen, in dem weniger das Auge als das Gehör und der Geruch, jene der Seele näherstehenden Sinnesorgane, auf ihre Kosten kommen. Dinge, die man für immer verschwunden glaubte, leben wieder auf: Stille, Frische und Frieden. Das vertraute Zusammenleben mit der Welt der Pflanzen vergönnt uns, was das Meer uns heute verweigert.“ 
(Lévi-Strauss, Traurige Tropen, 337)

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